pressestimmen

Kalbhenn zeigt sein Spätwerk

Schwäbische Zeitung 27.10.2004

Ravensburg - 54 Mal Horst Kalbhenn in der Kundenhalle der Sparkasse. Ein breites Spektrum, das von Collagen bis zu ganz nagel-neuen Plastiken reicht. Das souveräne Spätwerk eines trotz 75 Jahre jung und innovativ gebliebenen Künstlers.

Ungewohnte Klänge, die viele an ihre Jugend erinnerten, brachten das große Vernissage-Publikum in Schwung. Die vierköpfigen Ravensburger Old Town Promenaders servierten einen Jazz, dass es vor allem den Mittelalterlichen unter den Kalbhenn-Fans ganz warm ums Herz wurde.

Es ist, wie KSK-Vorstandschef Heinz Pumpmeier bemerkte, die 13. Ausstellung Horst Kalbhenns in der Sparkasse, die 13. in 48 Jahren. "Ein Glücksfall," fand Pumpmeier, der mit Komplimenten nicht geizte: "Kunst hält jung; man sieht Ihnen die 75 Jahre nicht an." 20 Arbeiten hat die Sparkasse, die wohl wie keine andere Institution in dieser Gegend zeitgenössische Kunst fördert, seit 1956 von Kalbhenn gekauft.

Eulen nach Athen tragen

Den Künstler in dieser Region vorzustellen, hieße ein wenig Eulen nach Athen tragen, fand Laudator Kai-Michael Sprenger, Kulturreferent des Landkreises, und zeichnete ein sehr persönliches, sympathisches Bild Kalbhenns. Köstlich, wie Sprenger Horst Kalbhenns gelegentlich geradezu theatralische Erklärungsversuche seiner Arbeiten schildert: "Wie ein Dirigent mit bisweilen staccato-artig, ja geradezu hektisch anmutenden Auf-, Ab- und Seitwärtsbewegungen der Arme, dazu mit rasch wechselndem Abstand zum Bild sich vor- und rückwärts bewegend, skizziert Kalbhenn die vor seinem geistigen Auge sichtbaren Proportionen in der Luft beziehungsweise auf dem Bild nach."

Vielerlei fällt auf in Kalbhenns seit Ende der 40er Jahre vom "braven" Gegenständlichen bis ins Abstrakte, ja nahezu Ungegenständliche gesteigertem Werk: die Collagen meist mittels Zeitungs- und Zeitschriftenausschnitten entstanden (sie beherrschen auch diese Ausstellung), die klare, kubische Tektonik seiner Plastiken (Wotruba lässt grüßen), die in den neuen, Torsi genannten Arbeiten noch mehr als früher das Bild des Menschen abstrahieren, seine hohe, viel geübte zeichnerische Qualität - und seine ungemeine Vorliebe für das breite Farbenspektrum zwischen Weiß und Grau. Letzteres - kunstgeschichtlich merkwürdigerweise noch kaum näher untersucht - ist geradezu ein Markenzeichen seiner Kunst geworden. Wie Horst Kalbhenn für sein Oeuvre überhaupt einen hohen, ganz individuell geprägten Wiedererkennungswert reklamieren kann.

Mag ja sein, dass die Fülle ganz ähnlicher Collagen in der Sparkasse, häufig serienartig angelegt wie Kalbhenns Werk überhaupt, auf manche Kunstfreunde etwas erlahmend wirkt. Sie zwingen in ihrer feinen Differenziertheit indes zu genauem Hinsehen, denn der nur flüchtige Blick nivelliert alles, macht es beliebig. So sollte man sich auch Kalbhenns Reliefs genau ansehen, "Santorin" zum Beispiel, eine Arbeit, die sein plastisches Ur-Thema Licht und Schatten besonders gut widerspiegelt.

Von Siegfried Kasseckert

Zeichnungen und Plastiken ergänzen sich

Schwäbische Zeitung 01.11.1999

Horst Kalbhenn in der "Scheune"

WILHELMSDORF - Die aktuelle Ausstellung von Horst Kalbhenn in der Wilhelmsdorder Scheune unterscheidet sich ganz und gar von den beiden vorausgegangenen in Ravensburg und Weingarten: Kalbhenn präsentiert sich hier als Zeichner und als Bildhauer und die Arbeiten sind überwiegend figürlich.

Durch das Ambiente der Scheune hat das einen besonderen Reiz. Der Wilhelmsdorfer Bürgermeister Dr. Hans Gerstlauer begrüßte die gut 80 Besucher der Vernissage am Samstag. Wie kein anderer kann er die Verbindung zu Kalbhenns Wohnort Blitzenreute herstellen, der auch der seinige ist. Gerstlauer, dort ehemals Ortsvorsteher, verbindet mit dem Künstler eine lange Freundschaft. Und als Wilhelmsdorfer Bürgermeister freute er sich sehr, dass Kalbhenn - nach seinem 70. Geburtstag - wieder einmal in der Scheune ausstellt.

Wenn der Sohn eines Künstlers dem Vater die Laudatio hält, darf man Besonderes erwarten. So war es auch in Wilhelmsdorf, denn Sven Kalbhenn - der Germanistik und Philosophie studiert - lieferte ein inhaltsschweres Essay über die Wirkung und Wertigkeit von moderner Kunst. Versuch einer Kurzdarstellung: Der Kunst als provozierende Ausnahmen - die die Regel nicht bestätigt - begegnen die Betrachter mit einem Zwiespalt von "äußerster Geringschätzung und raunender Hochachtung" - was auf seinen Vater Horst sicher auch zutrifft. Oder ein anderer Aspekt (wörtlich): "Ein Werk meines Vaters sagt natürlich nicht: Tut Buße oder erhöht das Kindergeld, sondern höchstens: sieh mich an!"

Horst Kalbhenn ist lange schon ein schnell und exakt arbeitender Zeichner, Tausende von Arbeiten bewahrt er auf. Die Wilhelmsdorfer Zeichnungen - viele davon nicht direkt mit dem Bleistift, sondern mittels schwarzer Ölfarbe von einer Glasplatte, abgedruckt. Monotypie - haben alle auch etwas mit den plastischen Arbeiten zu tun. Beide Genres korrespondieren miteinander, ergänzen einander in der Wilhelmsdorfer Ausstellung trefflich.

Die Relief-Bilder von Horst Kalbhenn sind der mutige Schritt weg von der flachen Bildfläche in die Dreidimensionalität. Eine Anzahl freistehender Skulpturen weist nach, dass Horst Kalbhenn auch ein sehr begabter Bildhauer ist. Alle Arbeiten: Zeichnungen, Monotypien, Bild-Reliefs, Skulpturen sind farblich sehr zurückhaltend, Weiß und Grau herrschen vor. Nur ein paar Extrapunkte sind mit Horst Kalbhenns bekannten Farbcollagen gesetzt.
Auf der reich beklatschten Vernissage wirkte das Musikspiel der Gruppe "Jazz'n'jammer" sehr schön und passend - am kommenden Freitag um 20 Uhr gibt die vierköpfige Band ein Extrakonzert in der Ausstellung.

Die 35 Arbeiten der Horst-Kalbhenn-Ausstellung sind in der Scheune zu sehen bis zum 7.November, von Montag bis Freitag von 16 bis 19 Uhr, Samstag, Sonntag und an Allerheiligen von 11 bis 16 Uhr.

von Hansjörg Lehmann

Rot ist seine Lieblingsfarbe

Südkurier Nr. 161, 16.07.1999

Retrospektive zum 70sten von Horst Kalbhenn

Seit 1937 lebt der 1929 in Frankfurt am Main geborene Künstler Horst Kalbhenn in unserer Region und ist für viele junge wie auch ältere Kunstsuchende fast schon zur Institution geworden, was schon allein durch die große Zahl der Vernissagebesucher am vergangenen Sonntag in der Galerie der Kreissparkasse Ravensburg offensichtlich wurde.

An der Freien Kunstschule Stuttgart und bei Max Schellerer in München holte sich Kalbhenn das Rüstzeug für seine eigene künstlerische Arbeit und für die fruchtbare Kunstunterweisung an Volkshochschulen und Malgruppen. Anfänglich noch dem Gegenständlichen verpflichtet und als versierter Zeichner hervorgetreten, ließ der Erfolg auch nicht lange auf sich warten: Er gehörte zu den ersten Künstlern, die zur Eröffnung der Sparkassengalerie im Jahr 1956 eingeladen worden sind und die ihm jetzt zum 70. Geburtstag eine Retrospektive mit fast einem halben Hundert Arbeiten einrichtete.

 Das verweist auf breite Anerkennung des Schaffens von Horst Kalbhenn, das mit Beginn der 50er Jahre seinen Anfang nahm und sich allmählich von dem gegenständlichen Gestalten immer mehr zur Abstraktion hin bewegte, getragen von solider und gekonnter Zeichnung, wie es auch Berthold Traub, Vorsitzender der VHS Ravensburg, in seiner Laudatio hervorhob.

In den 70er Jahren spielten konstruktive und geometrisierende Formen in die Bildgestaltung herein, wie das Federzeichnungen belegen. Doch Figur und Landschaft bildeten weiterhin den Ausgangspunkt seiner eigenen künstlerischen Umsetzung zu Acrylbildern und Collagen, die meist aus einem Zentrum heraus nach außen wachsen. Dabei verschmilzt Kalbhenn die Materialien mit der Farbe, die er ausbalanciert und ihr durch pastosen und mehrschichtigen Auftrag selbst Materialität verleiht.

Wie er immer wieder aufs Neue den Abstraktionsprozeß einleitet, geht aus den Ölfarbzeichnungen "Bewegte Gruppe" hervor, die noch Gegenständlichkeit in verdichteter Komposition verrät und dann in seinen plastischen Formulierungen nachvollziehbar einfließt und sich auf dem schmalen Grat von figürlicher Vorstellung und freiem Formspiel bewegt.

Dabei reduziert Kalbhenn die Farbe, die er liebt, und setzt das Rot immer wieder als kraft- und wirkungsvollen Akzent ein. Zugunsten von Licht und Schatten dominieren dann nur noch Weiß und differenzierte Grautöne. Auch hier bekommen die Arbeiten ihre Qualität durch feine Tonwerte und gut organisierte Komposition. Aspekte der Statik und der Bildarchitektur in fast klassischer Komposition gewinnen die Oberhand und führen zu immer ausgewogeneren Farb- und Formverbindungen, sei es in der Zwei- oder Dreidimensionalität.

Von Franz Josef Lay

Souveräner Spieler und Kompositeur: Horst Kalbhenn

Schwäbische Zeitung 29.09.1992

Ravensburg (ka) - "In Oberschwaben Künstler zu sein, ist wohl kaum möglich, ohne sein Leben ein Stückweit als Passion zu verstehen. Gegen diese ununterbrochen gegenwärtige Landschaft voller Liebreiz etwas zu setzen, das nicht gleich von ihr umarmt werden kann, ist eine Herausforderung..." Mit diesen wohl auch als Reflexion über das eigene Sein und Schicksal zu verstehenden Worten begann der Schriftsteller Peter Renz, Waldburg, am Sonntagvormittag seine Rede bei der Eröffnung der Kalbhenn-Ausstellung in der Kundenhalle der Ravensburger Kreissparkasse. Es schiene so, fuhr Renz dann fort, als müsse man in dieser Gegend als Maler zunächst einmal vor der sinnlichen Überfülle, dem malerischen Liebreiz und der barocken Augenpracht in Deckung gehen, sich dann, gefestigt in der eigenen, originären Gestaltungsfähigkeit, wieder ans warme Licht dieser Landschaft zu wagen.

Bei Horst Kalbhenn, dem 1929 geborenen Frankfurter, der schon als Kind - 1937 - in den Kreis Ravensburg kam und jetzt in Blitzenreute lebt, vollzog sich dieser Weg während eines länger als drei Jahrzehnte dauernden Prozesses. Der Maler, seit 1979 Fachlehrer am Körperbehindertenzentrum Oberschwaben in Weingarten und seit den 50er Jahren in mehr als 200 Einzel- und Gruppenausstellungen vertreten, begann einst mit Landschaftsbildern , in denen Architekturen jedoch wichtige, geometrische Akzente setzten. Daraus entwickelte sich im Laufe der Jahre unter dem Einfluß des Informels, des abstrakten Expressionismus also, eine nahezu gänzliche Abkehr von der bildhaft-gegenständlichen Welt. Nur gelegentlich noch halten malerische Versatzstücke die Erinnerung an Figuratives oder auch an Landschaften wach.

In fast 30 Jahren hat allein die Ravensburger Kreissparkasse zehn Ausstellungen mit Bildern von Horst Kalbhenn gezeigt, wie Vorstandsvorsitzender Gerhard Jüngling bei der Vernissage deutlich machte. Kalbhenn ist in dieser Zeit zu einer regional weit bekannten künstlerischen Größe geworden, den Durchbruch über die Region hinaus hat er jedoch bisher nicht geschafft, wie auch Renz hervorhob. Gleichwohl hält Horst Kalbhenn mit geradezu stoischer Hartnäckigkeit an seinem Programm fest, das er in unverwechselbarer Handschrift vorträgt. Neben Tafelbildern dominieren da vor allem Materialbilder, Collagen aus Objets trouvées, die nach rein ästhetischen Gesichtspunkten ausgewählt werden: Papier, Soffetzen, Sackleinen, Holzstücke, Versatzstücke der technischen Welt. Kalbhenn erweist sich dabei als souveräner Spieler und Kompositeur. Meisterlich beherrscht er das Spiel zwischen einfarbigen, ruhigen und verdichteten Flächen, den Spannung schaffenden Wechsel zwischen lauten und leisen, eher lyrischen Farbklängen. Die dominanten Achsen dieser eher traditionell vorgetragenen Kompositionen folgen dabei fast immer den Balken des Kreuzes, wie Renz hervorhob, so daß Kalbhenns Bilder häufig eine Wirkung erzielen als schwebten sie im Raum.

Neben Tafelbildern dominieren da vor allem Materialbilder, Collagen aus Objects trouvées, die nach rein ästhetischen Gesichtspunkten ausgewählt werden: Papier, Stoffetzen, Sackleinen, Holzstücke, Versatzstücke de technischen Welt. Kalbhenn erweist sich dabei als souveräner Spieler und Kompositeur. Meisterlich beherrscht er das Spiel zwischen einfarbigen, ruhigen und verdichteten Flächen, den Spannung schaffenden Wechsel zwischen lauten und leisen, eher lyrischen Farbklängen. Die dominanten Achsen dieser eher traditionell vorgetragenen Kompositionen folgen dabei fast immer den Balken des Kreuzes, wie Renz hervorhob, so daß Kalbhenns Bilder häufig eine Wirkung erzielen als schwebten sie im Raum.
Einige wenige kleinformatige Arbeiten neuen Datums, Reliefs in hell-grauer Farbe und sparsamer Form, deuten an, wohin Kalbhenns künftiger künstlerischer Weg führen könnte: noch stärker in die dritte Dimension, in die Plastizität.
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